Das Rathaus in Bydgoszcz – das Herz der Stadt. Zusammen mit der städtischen Pfarrkirche und den Schutzmauern mit Stadttoren stellte es eines der Fundamente der räumlichen Organisation der mittelalterlichen Stadt, aber nicht nur. Die Geschichte des Rathauses in Bydgoszcz, des Symbols für souveräne Selbstverwaltung, beginnt sozusagen auf einem natürlichen Wege mit den Anfängen der Stadt.
 
Vom Rathaus aus wurde natürlich die Stadt verwaltet. Dem damaligen Recht gemäß wurden dort aber auch Verbrecher vor Gericht gestellt und verurteilt sowie städtische Privilegien durchgesetzt. Dort tagte der Stadtrat und saß die Hauptwache, die für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger sorgte.
 
 

Die Lokationsurkunde von 1346 bestimmte neben den Privilegien auch die Pflichten der organisatorischen Gründer der Stadt nach Magdeburger Recht. Die Stadt sollte samt Festungsanlagen (Mauern und Festungsgräben) die Fläche von etwa 15 ha in Anspruch nehmen. Dieser Bereich wurde in ca. 300 Parzellen mit einer Breite von etwa 7 m aufgeteilt, was damals 3 altpolnische Schritte oder 1,5 altpolnische Ruten ausmachte. Es wurde ein für jene Zeiten großer Markt mit einer Abmessung von ca. 80 m x ca. 95 m eingeplant. Mitten auf dem Platz wurde für das zukünftige Rathaus ein ziemlich beträchtlicher Platz mit einer Abmessung von ca. 35 x 40 m ausgewiesen. Dort entstand das erste und sicherlich im Vergleich zu dem heutigen viel bescheidenere Holzrathaus von Bydgoszcz, das jedoch in einem großen Brand, der die Stadt 1425 heimsuchte, abbrannte. An seiner Stelle wurde ein gemauerter Magistrat im gotischen Stil errichtet. Auch dieser brannte im Jahre 1511 ab. Über die beiden Gebäude weiß man bis heute nicht viel. Jedoch bereits 1515, in den Zeiten der größten wirtschaftlichen Prosperität der Stadt, bauten die Einwohner ein neues Rathaus im Renaissancestil nach dem Entwurf von Jan aus Danzig. Laut erhalten gebliebenen Beschreibungen sowie dank archäologischen Untersuchungen ist bekannt, dass das Gebäude zentral auf dem Marktplatz situiert war, ungefähr auf der Achse der heutigen Mostowa-Straße, und seine Silhouette wurde von dem 1600 angebauten Turm gekrönt. Die Innenräume des Rathauses machte neben den Kammern des Bürgermeisters, des Gemeindevorstehers und der Stadtverwaltung auch ein Gerichtssaal aus, wo der Gemeindevorsteher samt Schöffen Gericht hielten. Überdies gab es dort auch ein Archiv mit einer Bibliothek, im zweitem Stock eine Schatzkammer mit Zeughaus, im Dachgeschoss dagegen eine Stube für den Trompeter. Die Keller dienten als Untersuchungsgefängnis, beherbergten aber auch eine Folterkammer. Direkt daneben, ebenfalls im Keller, befand sich eine Gaststube, wo dank dem königlichen Privileg des Rechts auf Alkoholausschank Wein, Bier und Liköre serviert wurden. Anscheinend störte das Eine das Andere nicht. Wie es häufig der Fall ist, waren in den Bogengängen um das Rathaus herum Kramläden in Betrieb, die mit der Zeit das Rathaus so dicht umgaben, dass nur der westliche Eingang zum Rathaus frei blieb.
 
 

Von der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts an brachen für das Rathaus und die ganze Stadt schwere Zeiten an. Das Rathaus wurde während der schwedischen Kriege zerstört und geplündert, wonach es 1708 abbrannte. Nach der ersten Teilung Polens begann deutsche Bevölkerung evangelischen Glaubens in einer immer größeren Anzahl nach Bydgoszcz zu strömen. Bis im Jahre 1787 eine evangelische Kirche (ungefähr im Umkreis der heutigen Markthalle in der Podwale-Straße) errichtet wurde, fanden evangelische Gottesdienste in dem zerstörten und schon zu jener Zeit verkürzten Rathausturm statt. Dies war die letzte mehr oder weniger würdige Funktion des alten Rathauses. Das ganze 18. Jahrhundert verfiel es nur, bis man letztendlich 1834 über seinen endgültigen Abriss entscheiden musste.
 
Als das alte Rathaus immer mehr herunterkam, waren der Bürgermeister und die Ratsherren gezwungen, sich in Privathäusern zu treffen, um dann zuerst in das Mietshaus in der Farna-Straße und später in der Długa-Straße umzuziehen und um letztendlich im 19. Jahrhundert den heutigen Standort in der Jezuicka-Straße zu beziehen.